Was 'ne Marke
Dass im Marketing viel miteinander geredet wird, gehört zum Geschäft. Aber an die kritische Wahrheit trauen sich die meisten nicht ran – und tappen dann in gefährliche Fallen. Darum mein Denkanstoß: „Darüber sollten wir sprechen. Oder wir lassen das Ganze."
„HAUPTSACHE, UNSER LOGO SIEHT GUT AUS.“
Etwas bunt anmalen, ein paar Buchstaben hübsch drapieren – keine Kunst. Darum gibt es ja auch kaum ein Logo, das in den Augen seines Schöpfers nicht qualifiziert wäre fürs Museum of Modern Art. Wenn die Optik aber keinen Unterschied macht, dann ist sie – nein, nicht Nebensache – aber absolut nachrangig. Aber wenn’s doch dem Chef gefällt oder der Frau vom Chef. Tja, dann brauchen Sie sich ja nicht weiter den Kopf zu zerbrechen. Weil die Meinung der Kunden und Geschäftspartner „draußen“ dann ja überhaupt wurst ist.
„UNSERE MARKE IST SAUBER.“
So, wie es in vielen Unternehmen an einer gelebten Fehlerkultur mangelt, so fehlt es auch vielfach an der Bereitschaft, auch nur anzuerkennen, dass es auf dem Weg zu einer starken Marke noch Hürden gibt. Ist der Laden wirklich durch und durch ökologisch sauber, wie die Markenkommunikation verspricht? Haben tatsächlich jeder Mann und jede Frau die gleiche Karrierechance? Sind die Produkte zweifelsfrei von faulen Kompromissen und möglichen Risiken?
„WIR SOLLTEN DEN MARKENPROZESS GANZ DEMOKRATISCH HERANGEHEN.“
Klar. Und das Wetter von morgen legen wir per Volksabstimmung fest. Alibiveranstaltungen mit dem einfachen „Mann an der Werkbank“, deren Ergebnis abschließend sowieso vom Chef bereinigt werden – daraus entsteht der Rost, der über kurz oder lang die Marke korrodieren lässt.
„WIR LADEN EIN PAAR AGENTUREN ZUM PITCH.
DAS MACHT DIE SACHE SCHNELL UND EINFACH."
Das haut rein. Sie lassen ein Dutzend Grafikstudios und Designagenturen ein paar hübsche Vorschläge und Konzepte für eine neue Markenidentität präsentieren, suchen sich nach Bauchgefühl die schönsten Ideen heraus – und, zack, läuft die Sache. Dass solche Papiere in Wahrheit oft zwischen Tür und Angel entwickelt sind, auf Vermutungen und Annahmen beruhen und aus der Distanz entstanden sind? Egal! Dass es nach der Verkaufsshow mit allen Schikanen dann 08/15-Betreuung aus der zweiten Reihe gibt? Merken Sie eh‘ nicht. Dass es dann kein Zurück mehr gibt und Sie niemals über validierte Erkenntnisse und substantielle Grundlagen verfügen? Ja, mei, sagt der Augsburger.
„WIR BRAUCHEN DAS ASAP. DIE ANDEREN MACHEN DAS AUCH".
Oder die Amerikaner. Die Chinesen. Und vor allem der Sixt. Wenn es wieder mal ganz schnell gehen muss, weil sonst der Wettbewerbszug davonfährt, neigen Unternehmen und ihre Führungskräfte in Markenfragen zum Aktionismus. Über Nacht wird etwas aus dem Hut gezaubert, wie bei einer ungeliebten, aber fälligen Powerpoint-Präsentation. Ohne Rücksicht auf Verluste, es ist ja eine besondere Situation. Wie praktisch sind solche Ausreden, um mal wieder Wildwuchs zuzulassen. Der überwuchert die Wirkung einer Marke schneller als Unkraut. Und zeigt überdeutlich, wie im Garten, dass da jemand keinen Plan hatte.
„WIR HABEN DANN JA EIN SCHÖNES BRANDBOOK."
Wäre ja noch schöner. Für das viele Geld, das Sie nach dem Branding-Projekt bezahlt haben, dürfen Sie auch eine ordentliche Menge Papier erwarten. So eine Art Brockhaus für alle Markenfragen. Glauben Sie ernsthaft, dass derlei tatsächlich jemand zur Hand nimmt und verinnerlicht? Geschweige denn „jeder“ im Unternehmen? Die Erfahrung lehrt, dass Markenwerte und Markenphilosophie effizienter mit kleinen Tools vermittelt werden, die alle Mitarbeiter gern nutzen und Tag für Tag vor Augen und im Sinn haben. Ein Dienstleister, der seinen Kunden ernst nimmt, liefert kein übertriebenes hochglanzgedrucktes „Handbuch“. Er richtet lieber gleich ein digitales Brandportal ein, zu dem auch externe Partner Zugriff haben und das live aktuell gehalten wird.
„DAS MUSS SICH ABER RECHNEN."
Ach so: Die neu entwickelte oder überarbeitete Marke muss sofort für Mehrumsatz sorgen. Was macht das in Stückzahlen? Lassen Sie sich ruhig ein paar schmackhafte Antworten vorlügen. Seriös ist diese Frage im Vorfeld nicht zu beantworten. Genauswenig, wie sich eine nachhaltig wirksame Marke rein vertriebsorientiert gestalten lässt.
„WIR ERSTMAL DAMIT AN UND ENTWICKELN ALLES ANDERE DANN PEU À PEU WEITER."
Im Projektmanagement längst als Todsünde erkannt, kommen singuläre Maßnahmen vor allem bei der Markenentwicklung gern auf den Tisch. „Passen wir erst einmal die Website an. Der Rest findet sich von selbst.“ Dabei ist jedem klar, dass ohne ganzheitliches, synchronisiertes Vorgehen auf allen Ebenen kein tragfähiges Ergebnis zustande kommt.
„ABER WIR FASSEN NICHTS AN, DAS SICH BEWÄHRT HAT."
Wer so von der der ewigen Richtigkeit seines Tuns überzeugt ist, mag zwar nicht der liebe Gott sein. Aber mit Sicherheit 'ne Marke.